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Donnerstag, 28. April 2011

Warum in die Ferne schweifen...


Miltenberg am Abend des 21. 04. 11
...wenn das Gute so nah liegt? Zugegeben, ich habe da so meine Zweifel mit der generellen Richtigkeit dieses Statements, schließlich reise ich ja nicht umsonst so viel, wenn ich nicht von dem Guten in der Ferne überzeugt wäre könnte ich ja auch hier bleiben. Manchmal aber stimmt dieser Spruch mit Sicherheit, auch unsere deutsche Heimat hat viele wundervolle Ecken zu bieten. Vor allem die Ostertage dieses Jahr passen da hervorragend. Wann gab es schon mal ein so hochsommerliches Ostern? Wir haben es genutzt um nach Miltenberg zu fahren, wo meine Oma und mein Onkel mit seiner Familie wohnt. Miltenberg ist an sich schon ein idyllisches kleines Städtchen, mit historischer Altstadt, umgeben von viel Natur liegt es direkt am Main, die Hügel die sich direkt noch im Stadtgebiet erheben sind nur dünn bebaut, direkt dahinter beginnt der Wald. Linksmainisch, wo auch das historische Miltenberg liegt und der Rest am Hang, auch unsere Anwesen, kommt man in den Odenwald, auf der anderen Mainseite ist es zunächst etwas flacher bevor der Spessart beginnt, wenn man nahe der Ebene bleibt ist man außerhalb des Orts umgeben von Weinbergen, Feldern und Streuobstwiesen.

Blick von der Steige auf Miltenberg
Wer sich alte Kulturlandschaften ansieht, dem ist kaum bewusst wie viel Aufwand es oft war sie anzulegen und zu pflegen. Aufgrund der steilen Hanglagen waren Weinberge und Streuobstwiesen oft terrassiert, eine Technik die heute zu Zeiten maschineller Produktion und Ernte kaum noch lohnt. Nur an wenigen Lagen wird noch Wein in Steilhängen angebaut in die kein Traktor fahren kann, wenn man nicht wirklich hohe Preise für den Wein verlangen kann lohnt die viele Handarbeit, die natürlich ihr Geld kostet, kaum noch. Bei den Streuobstwiesen die oberhalb von Miltenberg liegen ist die Situation ähnlich, zwar waren die nie in kommerzieller Nutzung sondern fast immer nur zum Eigenbedarf, aber immer mehr Leute scheuen den Aufwand diese terrassierten Gärten zu pflegen. Wir haben gleich zwei davon, zum Glück ist einer verpachtet. Noch recht früh am Morgen biegen wir am Karfreitag von der Landstraße ab, es geht durch den schattigen Frühlingswald einen Forstweg entlang bis zu unserem Grundstück. Der Garten hat neun Ebenen, von ganz oben bis ganz unten sind es zwanzig Höhenmeter. Der Blick auf die Stadt, die Hügel und sogar den Main ist wirklich schön, nur kommt man leider viel zu selten dazu ihn wirklich zu genießen. Auch an Ostern ging es zunächst mal darum das Gras zu mähen, das schon sehr hoch stand. Noch dazu war das Grundsstück die letzten Jahre ebenfalls verpachtet, wurde aber nicht gut gepflegt. Die Sandsteinmauern der einzelnen Terassen waren oft überwuchert von Gestrüpp und ziehmlich fiesen Brombeeren, die sogar schon in die Obstbäume hineinwuchsen. Der Lärm der Maschinen die sich durch hohes Gras und Gestrüpp kämpften übertönte für einige Zeit die sonst so harmonische Ruhe. Das Mähen an den Hängen ist eine Herausforderung und auch die großen Geräte die Mauern hoch und runterzutragen ist nicht ohne. Wenn man dann aber am Ende das Ergebnis sieht und der Garten wieder ordentlich wirkt weiß man was man geschafft hat.
Gereinigte Mäuerchen
Am Abend des 22. 04. im Spessart
Am Abend, als es langsam dämmerig wird, fahren wir mit meinem Onkel, der Biologe und Experte für heimische Flora und Fauna ist, über die noch fast neue Mainbrücke auf die andere Seite des Flusses und in den Spessart hinein. Wir sind auf der Suche nach verschiedensten Tieren, unter anderem dem Steinkauz, der eigentlich ein typischer Steppenbewohner ist, und im Gegensatz zum Waldkauz, offene Landschaften liebt die ihm einen guten Überblick bieten. Die Ausläufer des Spessarts sind da ideal, es gibt viele Felder und Wiesen, und dank der Renaturierungsprojekte und einheimischer Bauern auch zahlreiche Streuobstwiesen die dem Steinkauz als Nistmöglichkeit dienen. Es wird zunehmends dunkler als wir anhalten und aussteigen. Mein Onkel ahmt den Ruf eines Steinkauz nach und hofft das irgenein Kauz sich animiert fühlt zu antworten. Bestimmt eine Viertelstunde wandern wir durch eine Streuobstwiese, mein Onkel gibt sein bestes, aber es ist der typische Vorführeffekt, nichts tut sich, vielleicht denkt sich der Steinkauz auch nur „was für ein seltsamer Kauz ist das denn?“ Also fahren wir weiter. Die Felder und Wiesen sind nunmehr nur noch schemenhaft zu erkennen, als wir kurz hinter Röllbach wieder anhalten. Diesmal geht es nicht um den Steinkauz sondern um Laubfrösche, die in isolierten Populationen noch an einigen Stellen im Spessart vorkommen. Wir laufen, mittlerweile mit Taschenlampen ausgestattet, zu einem Teich und lauschen. Doch irgendwie scheint das Glück heute nicht auf unserer Seite zu sein, man hört nur Wasserfrösche, eine Art die es fast überall gibt. Wir drehen also wieder um. Kurz bevor wir wieder am Auto angelangt sind dann das für Laubfrösche typische laute „gäck gäck gäck“. So wie es sich anhört sind wir zunächst in die falsche Richtung gelaufen, ein einzelner Laubfrosch sitzt irgendwo nicht allzu weit entfernt. Wir überqueren eine Straße und laufen in die andere Richtung als zuvor. Das quacken wird mit jedem Meter lauter, man kann es recht gut lokalisieren. Doch irgendwann, es können nur noch ein paar Meter gewesen sein, steht uns ein hoher Zaun im Weg, die Chance den Frosch tatsächlich zu sehen wäre aber ohenhin gering, es geht um das Hörerlebnis. Solche Froschexkursionen sind vielleicht weniger spektakulär als in irgendeinem Safaripark in Afrika an Elefanten und Löwen vorbeizufahren, aber dafür ist man viel unmittelbarer dabei und die Gefahr von irgendwelchen Raubtieren gefressen zu werden hält sich im Spessart auch eindeutig in Grenzen.

Auf Exkursion...
Wir wollen erneut umdrehen als ein weiterer Laubfrosch in der Ferne antwortet und sofort wieder verstummt. Der Ruf genügte aber um die ungefähre Richtung zu erkennen und so laufen wir über eine Wiese in Richtung der Rufe. Am Nachthimmel, der mittlerweile voller Sterne ist, zucken immer wieder Blitze in der Ferne und erleuchten alles für den Bruchteil einer Sekunde, Donner ist nicht zu hören. Nach dem es ein sonniger und für April sehr warmer Tag war, legt sich nun der Tau auf die Wiesen als wir in Richtung des ruffaulen Laubfroschs laufen. Die Kegel der Lampen erfassen immer nur ein paar Meter, vor uns scheint nur Wiese zu liegen. Der Laubfrosch meldet sich nicht mehr und so beschließen wir, als wir auf einen Weg treffen, diesem bis zur Straße zu folgen und zum Auto zurückzukehren. Irgendwo am Waldrand höhrt man immer wieder das tiefe dumpfe blöhcken von Rehen, leiser als im Herbst in der Brunftzeit, aber wenn man nicht wüsste, dass es sich um harmlose Pflanzenfresser handelt könnte man anhand der unheimlichen Rufe durchaus Zweifel an der Friedfertigkeit dieser Tiere haben.

Die Ringelnatter
Wieder fahren wir eine Weile, diesmal bis zu einer Kiesgrube bei Großheubach. Auch hier antwortet kein Laubfrosch, dafür wieder zahlreiche Wasserfrösche. An den Tümpeln wimmelt es nur so von Kaulquappen, eine Erdkröte läuft gemächlich in Richtung des Wassers. Auf einmal schlängelt sich etwas aufgeschreckt Richtung Tümpel, bevor sie verschwindet greife ich zu und habe eine kleine Ringelnatter in der Hand, schon die zweite in diesem Jahr. Die Schlangen lieben das Wasser, können gut tauchen und essen, als echte Feinschmecker wie die Franzosen, gerne Frosch. Kein Wunder, dass die sich hier wohlfühlt. Kurz darauf schlängelt sich noch eine zweite Ringelnatter im Wasser, auch die gerät in vorübergehende Gefangenschaft. Und auch wenn wir in dieser Nacht keinen Laubfrosch mehr gesehen oder gehört haben war es eine interessante Exkursion in die heimatliche Natur, die von den allermeisten unbeachtet, oft direkt vor der Haustür liegt.
Eidechse/ 23. 04. 11

Blick auf den Gegenhang
Auch am nächsten Tag geht es nochmal hoch zur Steige, der Name für diese Art Garten ist wirklich treffend, denn man muss ständig „steigen“. Diesmal sind die Sandsteinmauern dran, die an vielen Stellen von Gestrüpp überwuchert sind. Eigentlich haben wir die schönste Zeit des Jahres erwischt, überall ist das frische Grün zu sehen und die frühe Apfelblüte krönt das Ganze noch, wenn es so weitergeht gibt es im Herbst wieder eine Menge Äpfel zu ernten. Bei der Arbeit an den Mauern, die dringend von den Pflanzen befreit werden müssen, begegnen einem immer wieder Tiere für die diese Mauern ein wichtiger Lebensraum sind. Eidechsen und Blindschleichen können sich darauf sonnen und die Ritzen bieten zahlreiche Versteckmöglichkeiten, am Morgen sind sie oft noch langsam und vollkommen überrascht wenn man sie plötzlich mit einem Büschel von Pflanzen ans Licht befördert. Mein Bruder hat sich mal wieder die schlimmste Mauer ausgesucht und ringt mit Brombeeren als ginge es um Leben und Tod. Doch das Endergebnis kann sich sehen lassen, die Wiese ist kurz, die Mauern frei und das Gestrüpp, das in die Obstbäume wucherte, ist entfernt. Auch wenn am Ende das genießen der Natur fast etwas zu kurz kam war es doch eine sinnvoll verbrachte Zeit die definitiv mehr mit echtem gelebten Naturschutz zu tun hat als vieles andere was zur Zeit so propagiert wird. Wenn man es noch dazu für die eigene Familie, in so schöner Landschaft und bei dem einmaligen Wetter macht lässt sich leicht vergessen, dass es sich eigentlich um Arbeit handelt.

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