Sydney 2007 - work & travel Australia

Samstag, 16. Juli 2011

Die ewige Suche...

Sinai, Ägypten Dez. 2010
Ich suche. Soweit keine spektakuläre Sache, nur suche ich nicht nach meinem Handy, dem verschwundenen Socken (eine dramatische und höchst aufwendige Suchaktion mehrerer Hundertschaften der Polizei mit Spürhunden und Helikoptern mit Wärmebildkameras verlief bislang im Sande) oder ähnlichen Banalitäten. Ich suche größeres. Nicht unbedingt den Sinn des Lebens, den versuche ich gar nicht erst zu finden, das halte ich für aussichtslos und wenn ich mir darüber auch noch Gedanken machen würde hätte ich echt keine Zeit mehr so gemächlich vor mich hinzuleben wie bisher. Suchen ist nie einfach, jeder der mal verzweifelt etwas gesucht hat wird das bestätigen. Aber manchmal ist es nicht nur nicht einfach, sondern einfach sauschwierig. Versuch mal etwas zu finden, wenn du gar nicht weißt, was genau du eigentlich suchst!

Das beschreibt ziehmlich genau das Problem vor dem ich stehe. Und ich stehe schon sehr lange davor. Jahrelang. Genau hab ich das nicht gezählt und es spielt auch keine Rolle. Nicht, dass ich nur stillstehen würde, ich habe überall gesucht, quasi global. In fernen Ländern und unter unbekannten Menschen, in riesigen Großstädten und dem kleinsten Kaff, vor der Kulisse des schier endlosen Pazifiks und auf hohen Bergen der Alpen, in Regenwäldern und in Wüsten. Ich habe eine Menge gefunden, aber nicht das was ich suche. Glaube ich zumindest.

Silvretta, März 2011
Im Englischen könnte man meine Suche wohl am treffendsten mit dem Slogan The Pursuit of Happiness zusammenfassen. Diese Happiness kann von so vielen Faktoren abhängen die wohl bei jedem Menschen unterschiedlich sind, dass dieses Konzept immer noch reichlich unkonkret ist. Wonach suche ich also genau? Vielleicht ein Lebensziel, für das es sich lohnt zu leben, etwas was ich unbedingt machen will, etwas was ich gut kann, etwas wo mir keiner was vormacht, etwas wo ich Erfolg habe, etwas wofür ich respektiert werde, etwas für’s Ego. Klar, es gibt Dinge die in unserer Welt einfach wichtig sind. Geld. Wer etwas anderes behauptet lügt meistens. Es geht nicht darum reich zu sein, sondern einfach so zu leben, dass man sich um’s Geld nicht sorgen muss. Geld macht nicht glücklich, kein Geld paradoxer Weiße aber oft genug unglücklich. Wenn das nicht seltsam ist. Auch Gesundheit ist wichtig. Aber davon abgesehen geht es um etwas spirituelles, darum dem Leben einen Sinn abgewinnen zu können. Ich dachte lange, es ändert etwas wenn ich nicht mehr Single bin, wenn ich ein weibliches counterpart gefunden habe. Mittlerweile bin ich davon nicht mehr überzeugt. Vielleicht ist es sogar gut, dass ich keine Freundin habe. Wer sucht der versucht oft krampfhaft irgendwo einen Sinn zu erkennen, irgendetwas zu finden, und wenn es etwas konstruiertes ist. Jede Gelegenheit weckt Hoffnung, man will daran glauben, dass es diesmal klappen wird. Es muss einfach klappen. Und dann wird man jedes Mal enttäuscht. Diesen Fehler an etwas zu glauben macht man immer wieder, was wäre der Mensch ohne seine Hoffnungen, und seien sie noch so unrealistisch? Das kann keine gesunde Grundlage für eine Beziehung sein, so etwas endet zu schnell in total Selbstaufgabe, in klammern, in Verlustängsten, und schließlich mit dem Verlust der dann wohl tatsächlich irgendwann kommen wird. Bevor man jemand anderen finden will sollte man erst sich selbst gefunden haben, und das Gefühl habe ich bisher nicht.

Australien, Oktober 2007
Aber: Vielleicht sollte man sich auch schlicht von der Idee verabschieden, dass der Sinn des Lebens im Finden liegt. Vielleicht liegt er viel mehr im Suchen. Ich habe noch nicht aufgegeben, aber ich glaube ich bin ein gutes Stück realistischer geworden. Nichts im Leben, zumindest fast nichts, ergibt sich einfach so, und nichts findet man einfach so, nur (das) Nichts findet man einfach so. Wer etwas finden will muss aktiv suchen, nicht passiv warten. Ich habe gewartet, ich glaube viel zu lange. Ich werde mehr suchen und weniger warten, auch wenn es abzuwarten gilt ob ich diesen vollmundigen Worten hier auch Taten werde folgen lassen. Ich will jedenfalls mehr, mehr von allem, mehr leben. Das kann doch nicht alles gewesen sein, oder? Jedenfalls wäre das tragisch. Das kann noch nicht mal die Hälfte von ‚alles’ gewesen sein. Ich suche weiter, hope dies last.

Samstag, 2. Juli 2011

Ein Klavier, ein Klavier!

Copley Square, Boston, 18. 09. 2009
Wer bitte kennt diesen Sketch von Loriot nicht? Das Klavier von der Tante in Masschussetts und die Eskapaden seiner Ankunft im heimischen Deutschland auf Film zu bannen. Nein, um alle Erwartungen gleich zu enttäuschen, es geht nicht um ein Klavier, nicht um Tanten, ja noch nicht mal um Loriot, sondern um Massachussetts, genauer gesagt um seine Hauptstadt Boston. Ich war im September 2009 für kurze Zeit dort, als ich von Montréal in Kanada wieder auf dem Weg nach New York City in den Vereinigten Staaten war. Am 17. September ging es also von der französischsprachigen Metropole in Kanada über die Grenze und durch die schier endlosen Wälder Neuenglands in Richtung Ostküste und Boston. Das Wetter war hervorragend, sonnig und mild, und die Wälder Neuenglands leuchteten bereits in den ersten Farben des Indian Summer, der jeden Herbst mehr Touristen anzieht als den ganzen Sommer über in diese ländliche und dünn besiedelte Region im Norden der USA kommen. Nach der Grenze, und wie immer wird man beim Eintritt in die USA ja erstmal aufgehalten und Angestellte der Homeland Security fragen jeden einzelnen der Buspassagiere aus, was man denn in den USA vorhabe, ging es durch die Bundesstaaten Vermont und New Hampshire, bevor wir Boston, Massachussetts, erreichten. Bei dem angenehmen Wetter hätte ich gerne mal ab und zu angehalten um die Landschaft zu genießen, aber das ist bei solchen Busfahrten leider nicht möglich, man muss schon froh sein wenn man in Amerika überhaupt mit öffentlichen Verkehrsmitteln von A nach B kommt.

Boston Common-Park
Am nächsten Morgen lud wieder Sonnenschein und angenehme Temperaturen zum erkunden der Stadt ein. Boston hat „nur“ 600.000 Einwohner und ist damit eine eher kleine Großstadt an der Ostküste der USA, aber wohl unbestritten die inoffizielle Hauptstadt von Neuengland. Noch dazu ist Boston eine der ältesten und geschichtsträchtigsten Städte der USA. Was mir gleich auffiel war die Gelassenheit die diese Stadt ausstrahlt, viel entspannter und weniger hektisch als die Großstädte weiter im Süden wie Philadelphia oder Washington D.C. Mein Hostel war sehr zentral gelegen und so hatte ich es nicht weit bis zum Beginn des sogenannten Freedom Trail, an dem sich über ein Dutzend Originalschauplätze der Entstehungsgeschichte der USA wie in einem Open-Air Museum aneinander reihen. Dabei führt dieser Pfad, der die meiste Zeit von einer roten Linie markiert wird, sodass selbst ein Kartenanalphabet sich kaum verirrt, mitten durch die lebhafte Innenstadt von Boston.

State House
Meine Tour auf dem Freedom Trail begann am Boston Common, dem ältesten öffentlichen Park der USA. Dieser ist wirklich gut gepflegt, eine grüne Oase mitten im Stadtzentrum mit viel Rasenfläche, alten Bäumen, Blumen und einem Teich in der Mitte auf dem man auch Boot fahren kann. An diesem sonnigen Freitag-Vormittag war der Park nicht allzu voll, ab und zu sah man andere Menschen die so offensichtlich eine Karte vor sich hertrugen, dass die These das es sich wohl um Touristen handeln muss nicht allzu gewagt war, am anderen Ende des Parks flitzten mehrere kleine Amerikaner hinter den Tauben her als ginge es dabei um Leib und Leben. Nach entschleunigendem, nahezu meditativem, durchschreiten des Parks erreicht man das auffällige State House, der Regierungssitz und das Parlament des Bundesstaats Masschussetts, welches durch die goldene Kuppel besonders hervorsticht. Fast direkt daneben liegt die Park Street Church, der 66 m hohe und filigran wirkende Turm der Kirche wurde zu einem Wahrzeichen von Downtown Boston. Folgt man weiter der dort verlaufenden Tremont Street kommt man hinter der Kirche, im Schatten alter Bäume, am Old Granary Burial Ground an den Gräbern der Patrioten des Amerikanischen Unabhängigkeitskriegs vorbei, da dort drei der Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung begraben sind. Die Grabsteine stehen dicht an dicht, sind oft schief oder schauen nur noch halb aus der Erde, die Inschriften sind meist unleserlich, aber dennoch repräsentiert dieser Ort ein Stück amerikanischer Geschichte.

JFK, ein Sohn Bostons
Doch nicht nur mit älterer Geschichte kann Boston glänzen, auch in der neueren Geschichte hat die Stadt einige Berühmtheiten hervorgebracht, der sicherlich bekannteste unter ihnen ist der ehemalige US-Präsident John F. Kennedy, der am 29. Mai 1917 im Vorort Brookline zur Welt kam. Ich hätte mir sein Geburtshaus gerne mal angesehen wenn ich länger in der Stadt geblieben wäre, so aber habe ich mich auf die wesentlichen Sehenswürdigkeiten konzentriert. John verbrachte seine ersten Jahre in diesem Haus bevor die Familie 1926 nach New York City zog. Später studierte er ganz in der Nähe, an der berühmten Harvard University, Politik, eine Uni von der ein deutscher Durchschnittsstudent wie ich wohl nur träumen kann. Nach dem zweiten Weltkrieg machte John F. Kennedy seine ersten politischen Schritte in Boston, so zum Beispiel als Senator des Staates Masschussetts von 1953 bis 1960, ehe er am 8. November 1960 zum ersten katholischen Präsidenten der USA gewählt wurde. Nach seiner Ermordung wenige Jahre später kaufte die Familie Kennedy ihr ehemaliges Haus zurück und richtete dort ein Museum ein. Aber wenden wir uns wieder der noch älteren Geschichte zu...

Old State House
Ein weiteres beeindruckendes Bauwerk im Zentrum Bostons ist das Old State House, das älteste öffentliche Gebäude Bostons. Vor dem Gebäude zeigen Markierungen die Stelle an, an der beim Boston Massacre wenige Jahre vor Ausbruch des Unabhängigkeitskriegs fünf Zivilisten erschossen wurden. Heute hat man jedoch unter Umständen leichte Probleme sich in diese historischen Szenen hineinzudenken, das Old State House zum Beispiel steht umgeben von riesigen Wolkenkratzern in deren Mitte es geradezu winzig wirkt, zwischen den hohen Gebäuden ist es zudem fast immer sehr windig, trotzdem ist es beeindruckend zu sehen wie alt und neu so ineinander verschmelzen und Gebäude aus verschiedenen Jahrhunderten das Stadtbild prägen, etwas was man sonst eigentlich eher aus der alten Welt kennt. Ganz in der Nähe wartet der Quincey Market, eine lang gezogene alte Markthalle mit Säulenfassade, um die herum das Leben brodelt. Heute wird wohl der meiste Umsatz nicht mehr unbedingt in der Markthalle, sondern in den umgebenden Geschäften gemacht und auf dem Streifen entlang der Halle der einen an deutsche Fußgängerzonen erinnert haben sich viele Restaurants, Cafes und andere Geschäfte niedergelassen.

Copley Square und Public Library
Den Nachmittag verbrachte ich in der Sonne liegend auf dem Copley Square, das Herzstück des Stadtteils Back Bay wo mein Hostel lag. Es ist ein angenehmer Fleck mit etwas grün umgeben vom John Hancock Tower, der hinter dem Platz in den Himmel ragt, mit 241 m das höchste Gebäude Neuenglands. Außderdem hat man auf der einen Seite einen guten Blick auf die Trinity Church die einen echten Kontrast zu dem Monument aus Glas darstellt und auf der anderen Seite des Platzes steht die ebenfalls sehenswerte Boston Public Library, die, wie sollte es bei dieser Stadt historischer Superlative anders sein, die erste öffentliche Bibliothek der USA war. Außerdem bietet es sich an schönen Tagen an, einen Abstecher zum Charles River zu machen und von dort aus die Skyline Bostons zu bestaunen. Letztendlich habe ich mich in Boston sehr wohlgefühlt, trotz dessen oder vielleicht auch gerade weil sie in ihrer Gelassenheit und fast kleinstädtischen Idylle nicht unbedingt dem typischen Beispiel einer Stadt an der US-Ostküste entspricht. Und wer den Sketch von Loriot nicht kennt, dem sei nur wärmstens empfohlen sich selbigen anzusehen, hierbei handelt es sich nämlich um ein Stück Allgemeinbildung, und die sollte nicht vernachlässigt werden.