Diese Frage, „do you have a gun?“, ist keineswegs so ungewöhnlich wenn man in Israel unterwegs ist. Touristen, die also solche zu erkennen sind kriegen sie jedoch nur recht selten zu hören, wehrpflichtige Israelis erzählten mir jedoch, dass die Frage oft kommt, wenn sie irgendwo einkaufen gehen wollen. Die Sicherheitsbranche ist ein gigantischer Sektor und einer der größten Arbeitgeber des Landes, egal ob es um kugelsichere Westen geht, um Hightec-Überwachungstechnik oder um Waffenproduktion, in all diesen Bereichen ist Israel ganz vorne dabei auf dem Wltmarkt. Manches wird für den eigenen Bedarf hergestellt, vieles exportiert. Der normale Tourist bekommt davon nichts mit, was jedoch für den Europäer sofort ins Auge sticht sind die Massen an Sicherheitskräften von denen es in den Straßen nur so wimmelt.
Eines der extremsten Beispiele dafür ist Jerusalem, die Stadt die ich im letzten Sommer als erstes besuchte. Zunächst einmal sieht man unglaublich viele Soldaten, was nicht weiter verwunderlich ist für ein Land in dem der Wehrdienst für Männer 3 und für Frauen 2 Jahre dauert, und die Option diesen zu verweigern kaum besteht. Jedes Geschäft, das etwas auf sich hält beschäftigt mindestens einen Sicherheitsbeamten, der am Eingang die Taschen der Kunden auf Sprengstoff oder Waffen hin durchsucht. Wie viel das im Ernstfall wirklich bringen würde halte ich für fraglich, aber es geht auch um Abschreckung bzw. darum die Kunden zu beruhigen und ihnen ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. Auch in Jerusalems Altstadt sieht man viele Bewaffnete, und auch wenn sich die Sicherheitslage in den letzten Jahren entspannt hat, hat man doch am Anschlag vom 23. März in Jerusalem gesehen, dass man in Israel wohl weiter mit dem Risiko wird leben müssen. Aus den Reaktionen der israelischen Politiker, die sie in dem folgenden Video mehr als deutlich machen, kann man jedoch bereits erkennen, dass sie reflexartig so reagieren werden wie sie es gewohnt sind, mit unnötiger Härte die ganz sicher nicht dazu beitragen wird die Situation zu entspannen. Diesen Kreislauf der gegenseitigen Zerstörung zu beenden ist wohl die dringlichste und zugleich schwierigste Aufgabe auf dem Weg zum Frieden im Nahen Osten.
Aber zurück zum Thema, gerade vor oder nach Wochenenden wimmelt es an Busbahnhöfen, den Punkten wo also auch ein backpacker versucht von A nach B zu kommen, nur so von Soldaten. Zudem ist es nicht ungewöhnlich, dass die Schnellfeuerwaffen auch übers Wochenende mit nach Hause genommen werden, es könnte ja ein Krieg beginnen. Besonders schlimm war es in Be’er Sheva, einer eher trostlosen Stadt mitten in der Wüste Negev, die ich am Wochenende nach Rosch ha-Shana, dem jüdischen Neujahrsfest, welches letztes Jahr Anfang September stattfand, passierte. Der große Busbahnhof war ein einziges Heerlager, so viele Soldaten waren schon echt respekteinflößend. Die Negev ist dünn besiedelt und daher ein beliebtes Trainingsgebiet für die israelische Armee, und an solchen Knotenpunkten wie Be’er Sheva sammeln sich dann alle Soldaten die aus dem Wochenende kommen und zurück zu ihren Einheiten in die Negev müssen. Wie dem auch sei, ich wollte in ein kleines Kaff in der Wüste, und traf zu meiner Erleichterung einen anderen deutschen backpacker der das selbe Ziel hatte sowie ein englisches Ehepaar mittleren Alters. Die Herausforderung bestand darin, einen Bus zu ‚entern’, anders kann man es nicht ausdrücken, in den auch hunderte von Soldaten wollten. Der erste Versuch scheiterte, wir waren zu weit hinten und mussten eine weitere halbe Stunde warten, diesmal ganz vorne und fest entschlossen, uns einen Platz im Bus zu sichern.
Dann die nächste Chance. Kaum stand der Bus an seinem Platz und öffnete die Türen ging der Kampf auch schon los, man hätte meinen können es ginge um Leben und Tod, Wilhelm-Gustloff Feeling ist Israel. Wer Angst vor drückenden Menschenmassen hat sollte sich so etwas möglichst ersparen, das Einsteigen in den Bus wird mehr zum sozialdarwinistischen „survival of the fittest“. Mit vereinten Kräften gelang es uns dann aber in den Bus zu kommen, auch der vollkommen aufgelöste und leicht korpulente Brite schaffte es noch, in letzter Sekunde und nur da seine Frau schon drin war und die den entnervten Busfahrer dazu bewegen konnte nicht ohne ihren Mann abzufahren. Schwer keuchend und in Schweiß gebadet aber erleichtert stieg er in den Bus. Auch wir wurden von einem vor uns sitzenden Soldaten dazu beglückwünscht uns in den Bus gekämpft zu haben, nach dem Wochenende sei das immer so. Trotz allem muss man aber der Fairness halber erwähnen, dass das Bussystem generell gut funktioniert, sie sind sehr preiswert, fahren häufig und sind auch nur selten dermaßen überfüllt. Nach all dem politischen gibt es bald sicher auch etwas über die Schönheit und landschaftliche sowie kulturelle Vielfalt des Landes...
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