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Donnerstag, 7. April 2011

Über Sinn oder Unsinn des Skibergsteigens

Geschafft: Autor vor der Abfahrt!
Der Mensch hat, als Krone der Schöpfung, grandiose Dinge erfunden. Vom Nasenhaartrimer bis zur Raumkapsel oder Autos die schwimmen können, und er war dabei stets an dem orientiert, was das Leben einfacher macht. In diesem Lichte betrachtet erscheint der Skitourengeher zunächst als degeneriertes Individuum der diese Tendenz umkehrt, schließlich hat der Mensch ja nicht umsonst die Natur bezwungen!

Wir haben die schönsten Berge mit Liftanlagen bepflastert, die den Skifahrer bequem und ohne Mühe nach oben auf den Berg befördern. Auf von Pistenraupen bestens vorbereiteten glatten Pisten gleitet er anschließend wieder gen Tal, und sollte mal nicht genug Schnee vorhanden sein, wird bei ausreichender Kälte einfach die Schneekanone angeworfen. Beim ersten Anzeichen von Hunger hält man einfach bei einer der zahlreichen Hütten die an die Hänge geklatscht wurden und viele finden es darin anscheinend so gemütlich, und das trotz Musik die oft gegen jede ethische Norm verstößt, dass sie erst nach Stunden wieder auf ihre Ski steigen. Oft sind sie, ich vermute viele sehen darin die einzige Möglichkeit die Volksmusik und Schlager zu ertragen, auch noch relativ stark alkoholisiert wenn sie wieder auf den Ski stehen. Dieser Pistenrummel ist dem Skitourengeher fremd.

Schneekanone/ 09. 03. 2010
Nach dieser leicht negativ angehauchten Meinung zu so manchem Skizirkus könnte man jetzt meinen, dass sicherlich ein Loblied auf die Idylle des Skibergsteigens folgt. Dem ist nicht ganz so, in dieser Beziehhung bin ich nämlich selber etwas bipolar, eine gespaltene Persönlichkeit und hin- und hergerissen zwischen Vor- und Nachteilen des Skibergsteigens. Zum einen sind da ganz banale Aspekte, wie die eigene Sicherheit. Lawinen sind für einen normalen Pistenskifahrer überhaupt kein Thema, die Liftbetreiber sorgen schon aus purem Eigennutz dafür, dass alle Hänge sicher sind um nicht in die Negativ-Schlagzeilen zu geraten. Sollte doch einmal etwas passieren, gebrochene Beine sind ja keine Seltenheit beim Ski fahren, ist in Null-Komma-Nichts der Helikopter da, der einen in die nächste Klinik bringt. Für Skitourengeher sieht die Welt da etwas anders aus, nicht, dass ich mich permanent über meine Sicherheit am Berg sorgen würde, aber das gehört eben auch zum Thema. Alle Skitourenhütten hängen Wetterberichte und Lawinenwarnstufen aus, sodass die Menschen nach eigenem Ermessen entscheiden können, ob sie eine Tour machen oder nicht. Auch Hüttenwirte stehen mit Rat und Tat zur Seite und warnen vor besonders gefährlichen Stellen. Außerdem schleppt man immer eine Lawinenausrüstung mit sich herum, bestehend aus Sonde, Piepser und Schaufel. Ich muss allerdings zugeben, ich trage das Zeug mehr alibi-mäßig mit mir herum, als das ich im Ernstfall wirklich wüsste wie man die Gerätschaften am sinnvollsten einsetzt um einen Verschütteten möglichst schnell zu finden und spekuliere darauf, dass ich mit unter der Lawine liege um mir das suchen sparen zu können. Nunja, wir waren ohnehin nie in sehr risakenten Gebieten, aber passieren kann ja immer was und jedes Jahr werden Skitourengeher verschüttet.

Lawine/ 11. 01. 2008
Skigebiet Fellhorn/ Kanzelwand 2010
Von diesen Sicherheitsaspekten mal abgesehen, die mich nur sehr bedingt jucken, gibt es aber Dinge die viel unmittelbarer sind und mich weitaus mehr beschäftigen. Auf der Piste kann man locker an einem Tag 10.000 Höhenmeter Abfahrt sammeln, im März 2010 war ich mit meinem Bruder auch einen Tag auf der Piste unterwegs, im Skigebiet Kanzwelwand/ Fellhorn im Kleinwalsertal. Man hat unzählige Abfahrtsmöglichkeiten in diesem großen, deutsch-österreichischen Skigebiet, man kann kilometerlang bergab fahren, die Massen verteilen sich auf den langen Pisten, und wir waren an einem relativ ruhigen Wochentag unterwegs. Für jeden Geschmack ist etwas dabei und man kann von Morgens bis Abends bergab heizen, alles in allem war das ein wundervoller Tag!

Mein Bruder beim Aufstieg...
Beim Skitourengehen hingegen steht einem vor dem Abfahrtsgenuss erstmal ein stundenlanger Aufstieg bevor. Manchmal, wenn ich keuchend meinem Bruder hinterherhächele wie ein astmathisches Murmeltier und er schnellesn Schrittes voranstürmt als gäbe es nichts leichteres als steile Berge hochzurennen, kann man ich mich schon verfluchen für dieses Skitourengehen. Doch es gibt auch Momente, wenn man erstmal seinen Rhythmus bergauf gefunden hat, in denen man ungestört die einzigartige und ruhige Bergwelt genießen kann. Wenn man an einem sonnigen Tag, umgeben von grandiosen Panoramen, einen Berg besteigt und weiß, dass just in diesem Moment unten in den Tälern Hektik und Trubel sind, unzählige Menschen genau zur selben Zeit in grauen Großstädten arbeiten müssen, gelangt man zu einer anderen Sicht der Dinge. Auch das Gipfelglück nach einem harten Aufstieg, die gute Aussicht auf die umliegende Bergwelt und der unberührte Schnee der auf der Abfahrt folgt sind die Mühen des Aufstiegs oft wert. Doch auch hier gibt es Einschränkungen: Oft ist nicht nur der Aufstieg anstrengend, sondern die Abfahrt nicht viel weniger. Bruchharsch oder vollkommen nasser sulziger Schnee sind schwer und sehr unangenehm zu fahren, die Verletzungsgefahr steigt, steile Stellen sind extrem anstrengend, mit entspanntem zu Tal gleiten wie auf Pisten hat das dann wenig zu tun. Dafür entschädigen Tage an denen man das Vergnügen hat durch unberührten frischen Powder abzufahren, abends sitzt man in der Hütte, manchmal über 2000m hoch und um einen herum nichts als Schnee und Berge. Trotzdem: Wenn man alles per Muskelkraft bergauf läuft, merkt man erst, wie unglaublich schnell man wieder unten ist und so schafft man nur einen Bruchteil der Abfahrtsmeter die man auf Pisten zusammenbekommen hätte.


Wiesbadener Hütte 2443m/ 30. 03. 11
Die Leute die selbst unter den Skitourengehern den Ruf haben leicht einen an der Waffel zu haben sind diejenigen, die neben den Pisten hochlaufen und anschließend auf denen wieder hinunterfahren. Es gibt nicht nur schimpfende Liftbetreiber, es ist auch leicht schizophren in Sichtweite des Lifts den Berg hochzurennen, man kombiniert quasi viele Nachteile: Man hat zwar nicht das Naturerlebnis des unberührten Bergs, nutzt aber auch nicht die Hilfe der Technik um nach oben zu kommen. Entgegenkommende Skifahrer müssen ausweichen und man kann auch noch umgefahren werden. Was ist also mein Fazit? Ein Unklares! Ich bin für eine Mischung, mal einen Tag Piste mit herrlich präparierten Abfahrten und mühelosem nach oben kommen, mal einen Tag Skitour in unberührter Natur.


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