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Sonntag, 17. April 2011

Unterlassene Hilfeleistung?


Proteste in Kairo
Wenn man vor einem Jahr in die arabische Welt schaute sah man, zumindest politisch, meist Stillstand. Das hat sich in den letzten Monaten radikal verändert, angefangen mit der Revolution in Tunesien, ging es weiter mit der Revolution in Ägypten und nun kämpft schon seit Wochen Libyen um seine Freiheit. Ich gebe zu, ich war sehr optimistisch als ich vom Aufstand in Libyen hörte. Wer hätte sich nicht gewünscht, dass der Machtwechsel so vergleichsweise schnell und unblutig vollzogen wird wie in Tunesien und Ägypten zuvor? Doch so kam es leider nicht, das freie Libyen ist entschlossen die neue Freiheit zu verteidigen, aber ebenso entschlossen scheinen Gaddafis Anhänger und Soldaten ihren Despoten mit allen Mitteln an der Macht zu halten. Die Lage in Libyen ist komplex, mit verschiedensten Stämmen und Loyalitäten die für Europäer schwer zu überblicken sind, aber darum soll es hier auch gar nicht gehen.

Verletzter in Tunesien
Vielmehr bin ich über die Rolle die unsere westliche demokratische Welt in Nordafrika spielte tief enttäuscht. Unseren Politikern scheint auch der letzte Rest Idealismus abhanden gekommen zu sein, das einzige was sie zu kennen scheinen sind die erbarmungslosen Regeln der Realpolitik in der nicht der geringste Platz ist für irgenwelche romantischen Revolutionsideale. Bei jeder Gelegenheit reden westliche Politiker von der immensen Bedeutung der Demokratie, aber geht es dann um konkrete Schritte Menschen die gegen Unterdrückung und Diktatur, und für eben diese von uns Europäern angepriesene Demokratie auf die Straße gehen oder sogar kämpfen, ist die Reaktion der westlichen Welt mehr als träge und inkonsequent. Klar, nichts spricht gegen eine sinnvolle Realpolitik, die ökonomischen Ziele der europäischen Länder sind viel zu egoistisch, Solidaritätsbekundungen hin oder her, das es gar nicht anders geht. Auch beim Thema der nordafrikanischen Flüchtlinge hört bei den Europäern schlagartig die so oft beschworene Solidarität auf. Warum soll Italien alleine mit den Flüchtlingen fertig werden? Es ist ein europäisches Problem, kein italienisches. Wenn dann Reaktionen der Politiker kommen, Italien solle das Problem alleine lösen darf es niemanden verwundern wenn die Italiener den Flüchtlingen Transitvisa ausstellen. Wir wollen keine Fremden in Europa, wir igeln uns lieber ein in unserer Insel des Wohlstands und der Ordnung, andere scheinen da unerwünscht. Dass diese Menschen die pure Not und Verzweiflung treibt und sie ihr Leben riskieren, nur um dann in Europa angekommen direkt wieder abgeschoben zu werden, wird dabei gerne mal ignoriert.

Tahrir-Square Cairo
Aber zurück zum Thema wie doppeldeutig die Haltung der Europäer zum Thema Demokratie ist. Wenn sich ein deutscher Politiker mit chinesischen Politikern trifft wird stets am Rande das Thema Menschenrechte angeschnitten, aber es geht nicht wirklich darum. Die westlichen Politiker halten sich selbst für ethisch verpflichtet ab und zu alibimäßig darauf aufmerksam zu machen, dass sie mehr Demokratie und Menschenrechte in Ländern wie China oder Russland schon irgendwie gut fänden. Das war es dann aber auch schon, man schaut lieber weg um die guten Wirtschaftsbeziehungen nicht zu gefährden, in einer derartig globalisierten Welt ist man gegenseitig aufeinander angewiesen, da strebt kein Land einen Don Quijotte-Kampf an, der ohnehin reichlich aussichtslos wäre. Soweit kann ich die Politik etwas nachvollziehen, schließlich wären wir verwöhnten Deutschen die ersten die jammern würden wenn wir aufgrund niedrigerer Exportquoten in Länder, die nicht unseren demokratischen Maßstäben entsprechen, mit ernsten Nachteilen rechnen müssten.

Luftangriff in Libyen
Diese Realpolitik ist wohl unvermeidbar und nicht immer nur negativ. Aber: Ich kann nicht verstehen, warum man sich selbst bei einem Land wie Libyen so zögerlich verhält, vor allem die deutsche Regierung war ja kaum dazu zu bewegen sich überhaupt in irgendeiner Art und Weise auf ein Engagement einzulassen. Die Hauptverantwortung liegt ohnehin bei der Nato, wir hätten nur etwas abnicken müssen, doch sogar davor scheuten unsere Politiker zurück. Keine Frage: Die möglichen Konsequnzen eines solchen Einsatzes sollten gut durchdacht sein, aber man kann sich schon fragen warum wir in Afghanistan sind aber Libyen kaum nennenswert unterstützen. Und dabei geht es noch nicht mal um konkrete militärische Maßnahmen, man kann sehr wohl humanitäre Hilfe leisten oder sich militärisch an Aufklärungseinsätzen beteiligen ohne dabei Bomben zu werfen oder direkt an der Front zu operieren. Es wäre nicht viel mehr gewesen als eine symbolische der Geste der Solidarität mit den Menschen die in Libyen ihr Leben für Freiheit und Demokratie riskieren. Doch selbst das schien von unserer Regierung zu viel verlangt zu sein. Wir haben Worte, Gaddafis Truppen haben Waffen. Immer noch ist kein Ende der Gefechte in Libyen absehbar, und das trotz der Luftangriffe der Nato, die den Konflikt wohl nicht entscheiden werden können. Aber ich bleibe dabei, es geht nicht nur ums gewinnen. Für die Rebellen sicherlich, für die westliche Welt geht es aber auch darum, ein Stück Glaubwürdigkeit, dass man bei den jungen Menschen die in der arabaischen Welt für ihre Freiheit auf die Straße gegangen sind, egal ob in Tunesien, in Ägypten oder nun in Libyen, zurückgewinnt.

Libysche Oppositionelle
Es macht einen traurig zu sehen, dass die Menschen in Libyen im Stich gelassen werden. Den Beteiligten dort muss so etwas wie blanker Hohn vorkommen. Die Europäer, und auch speziell die Deutschen, reden immer und ständig von Demokratie und demokratischen Reformen in der arabischen Welt, ihr Handeln aber lief oft genau konträr. Egal ob es darum ging von arabischen Ländern billiges Öl zu bekommen, ob diktatorische Systeme angenehm waren um die Flüchlinge abzufangen und heimzuschicken bevor sie je europäisches Territorium erreicht hatten, oder arabische Führer die im Kampf gegen den Terrorismus für wichtig gehalten wurden, es schien immer Gründe zu geben die eigenen politischen Grundsätze zu verleugnen. Und da wir immer noch nur viel zu langsam und zögerlich handeln verlieren wir das letzte bisschen Glaubwürdigkeit. Bleibt zu hoffen das trotz dieser unterlassenen Hilfeleistung der Umbruch in Libyen erfolgreich sein wird und die Menschen endlich in Frieden und Freiheit werden leben können, doch dieser Traum scheint in weite Ferne gerückt und der Ausgang des Konflikts äußerst ungewiss.

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