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Mittwoch, 6. April 2011

A Walk in the Woods – der Appalachian Trail…


Der AT...
Der Appalachian Trail sagt wohl nur eingefleischten Wanderern etwas, die meisten werden mit dem Begriff zunächst einmal wenig anfangen können. Der Trail führt entlang der hügeligen Wälder der Appalachen und liegt an der Ostküste der USA, ohne auch nur einmal direkt am Meer vorbeizukommen. Von Georgia im Süden durchquert er insgesamt 14 Staaten und endet nach etwa 3500 km ganz oben im Norden, in Maine. Die ganz Harten, die sogennanten through-hiker, starten im Frühjahr im Süden und kommen, so Gott, die Bären und Beine es wollen, im Herbst irgendwann auf dem Mount Katahdin, dem Endpunkt des Trails in Maine, an. Allerdings schaffen das nur die wenigsten.


Shenandoah River
Bis zum Jahr 2009 war mir dieser Fernwanderweg auch noch vollkommen unbekannt, doch kurz bevor ich Ende August 2009 in die USA flog las ich durch Zufall einen Artikel im 4 seasons über den Appalachian Trail der mein Interesse weckte. Ich stellte fest, dass der Trail nicht weit entfernt von Washington D.C. vorbeiführte, welches ohnehin auf meiner geplanten Route lag, und so entschloss ich mich mein Zelt mitzunehmen, um mal für ein paar Tage dem Trubel der Großstädte an der Ostküste zu entfliehen. Im Nachhinein war das eine goldrichtige Entscheidung. Nachdem ich in der letzten Augustwoche New York City, Philadelphia und Washington besucht hatte (ohne dass sich der gute Herr Obama mal kurz Zeit für mich genommen hätte) brachte mich der Zug nach Harpers Ferry, wo auch das headquarter des Appalachian Trail ist.

Harpers Ferry
Schon Harpers Ferry an sich ist ein reizvoller Ort, wenn man das historische Dorf nicht gerade an einem schönen Sonntagnachmittag besucht zumindest. Ich kam an einem Mittwoch an, als die Sonne schon tief über den hügeligen Wäldern stand, das Dorf war fast wie ausgestorben, in der Ruhe fühlte ich mich sofort wohl. Da die günstige Herberge die ich gefunden hatte etwas außerhalb lag, bekam ich auch gleich die landschaftliche Schönheit zu sehen. Harpers Ferry liegt, umgeben von hügeligen Laubwäldern, am Zusammenfluss von Potomac und Shenandoah River. Auf der einen Seite des Ortes befindet man sich in West Virginia, die Herberge auf der anderen Flussseite liegt jedoch in Maryland. Der Weg führte zunächst über eine Brücke und dann etwas den Fluss hinab, bevor ich den letzten Anstieg bewältigte. Umgeben vom Zirpen der Zikaden, den Sommerblumen am Wegesrand und dem Fluss neben mir erreichte ich schließlich die kleine Herberge, die oben auf einem Hügel lag, an den weniger dicht bewaldeten Stellen konnte man unten den Fluss sehen.

Harpers Ferry von oben
Der AT stellt niemanden vor unlösbare Aufgaben, er ist zwar ungemein lang, aber topographisch ist er, verglichen mit den Wanderwegen in den Alpen, „nur“ hügelig. Am nächsten Morgen erkundete ich die Gegend um Harpers Ferry, kletterte durch schattige Wälder auf einen Hügel über dem Dorf, schwam eine Runde im spätsommerlich warmen Fluss und genoß die Ruhe und das Nichtstun. Nachdem ich einige Zeit die unmittelbare Gegend von Harpers Ferry entdeckt hatte wollte ich schließlich auch mal das pure „AT-Feeling“ haben, und dem Pfad in die ‚Wildnis’ folgen. An einem sonnigen Morgen Anfang September war es schließlich so weit, über Stock und Stein ging es durch Laubwälder, Hügel hinauf, Hügel hinab, über Bäche, immer weiter. Eine eigenartige Erfahrung ist, dass man, anders als in Europa, keine Dörfer durchquert, sogar nur höchst selten Straßen, da der gesamte Trail dem Staat gehört, und der gleich auf jeder Seite noch etwas Land entlang des Trails dazukaufte. So hat man das Gefühl ganz weit weg zu sein, auch wenn man von mancher Bergkuppe, an den wenigen Stellen die nicht bewaldet waren, in der Ferne Dörfer oder Straßen sah. Wandern, egal ob es in den Alpen, den heimischen Wäldern oder wo auch immer ist, hat irgendwie eine meditative Wirkung. Manche behaupten man kann nur beim wandern genügend Abstand gewinnen um über sein Leben nachzudenken und ich muss sagen, dem stimme ich zu. In einer lauten und vollen Großstadt wie New York gelang es mir wirlklich nicht, meditativ vor mich hinzuschreiten, und gleichzeitig wie ein Buddha mein eigenes Leben zu sehen. In den Wäldern und Bergen schafft man sowas, nicht, dass man dort irgendwelche bahnbrechenden Entscheidungen treffen würde oder Erkenntnisse gewinnen würde, aber man sieht irgendwie klarer, alles wirkt weit weg und belanglos, eine entspannende Erfahrung.

Mein "global" backpack ;-)
Eigentlich hatte ich ja damit geliebäugelt auf dem Trail einem Schwarzbären zu begegnen, die in dieser Region nicht so selten sind. Zum einem mag ich Bären irgendwie (nicht das ich je nähreren Kontakt zu einem gehabt hätte;-), zum anderen wäre es natürlich eine ganz andere story wenn man sagen kann, dass man einem Bären begegnet ist. Um den Leser gleich zu enttäuschen bzw. vorzuwarnen, ich habe keinen gesehen. In einem der shelter las ich zwar in einem log-Buch, die den Wanderern als Informationsquelle dienen wo die nächste Wasserstelle zu finden ist, wie das Wetter war oder auch einfach nur um sich mit seinem Namen darin zu verewigen, dass ein Bär wenige Nächte zuvor des Wegs gekommen sei, allerdings hatte ich nicht das Glück ihn zu treffen. An allen Übernachtungsstellen, an denen es ummauerte Plätze für sichere Lagerfeuer gibt um nicht den ganzen Wlad abzufackeln, meistens ein Plumpsko und einen überdachten shelter, der seltsamerweise nur drei Wände hat (im Frühjahr und Herbst wird es darin eiskalt), gibt es auch eine Seilkonstruktion an einem Pfahl oder Baum, die zunächst mal etwas befremdlich wirkt. Manch Unwissender mag rätseln ob diese Plätze dafür gemacht wurden, damit sich frustrierte Wanderer erhängen können, aber der Eingweihte weiß, dass am Ende der Seile Haken sind an denen man sein Essen in die Höhe ziehen kann, außer Reichweite der Bären, die sonst auch gerne mal Nachts im Zelt vorbeigucken wenn sie eine leckere Käsesemmel erschnüffeln. Um solcherlei harmonische Begegenungen zu verhindern, Wanderern Herzinfarkte zu ersparen und Bären eine ungesunde Ernährung sowie den Stress sich mit obstinaten und ausgehungerten Wanderern um ein Brötchen zu prügeln, werden Wanderer dazu angehlaten das Essen des Nachts in den Bäumen zu lagern.

Die Schlange
Der Ami, der sich todesmutig aus seinem riesigen Jeep in die Wälder wagt, das Ganze auch noch zu Fuß, ist ein echter Exot in seinem Land. Es gibt anscheinend nicht viele Amerikaner die wandern, die „Ausländer“ sind auf dem Trail überproportional vertreten. An den zwei Tagen die ich wanderte traf ich nicht besonders viele Menschen, und bei meinem Übernachtungsplatz traf ich auf drei Amis, die, offensichtlich ernsthaft um mein Überleben besorgt, ihren Zitronenkuchen mit mir teilten, und etwas schockiert waren, wie man ganz alleine in die Wälder ziehen kann. Tierisch kam ich dann doch noch zu meinem Abenteuer, ich sah eine große schwarze Schlange, die Amis, denen ich das Bild auf meinem Kamerabildschirm am Abend am Lagerplatz zeigte meinten es sei nur eine Würgeschlange, also alles halb so spannend.


Shenandoah River
Nach einer Nacht im Zelt machte ich mich schon wieder auf den Rückweg, denn auf längere Zeit in der Natur war ich nicht vorbereitet. Ich hatte mit einem Städtetrip geplant und nicht genug Essen dabei, denn das ist das Manko dieses Trails: Geschäfte sucht man vergebens (zum Glück, davon gibt’s nämlich überall sonst in den USA mehr als genug). Ich kam an einem Samstag-Nachmittag wieder in Harpers Ferry an, und suchte zunächst etwas essbares. Das kleine Nest hatte sich vollkommen verwandelt. Die Geschäfte, die unter der Woche verrammelt waren hatten nun offen, und übergewichtige, Eis schleckende Amis schoben sich in Turnschuh und weißen Tennissocken sowie mit umgehängter Kamera durch den Ort. Alles in allem war das Ganze dennoch eines der Highlights des Trips, die Natur war mehr als entspannend, ob ich jemals den suizidalen Versuch starten werde den ganzen AT zu machen wage ich zu bezweifeln, landschaftlich gibt es kürzere aber spektakulärere Wanderungen, auf dem AT muss man damit rechnen tagelang nur Wald zu sehen.

PS: Wer dennoch Lust bekommen hat, dem kann ich einen kleinen Literaturtipp geben: Bill Bryson’s A Walk in the Woods ist ein ebenso unterhaltsames wie amüsantes Buch über seine Zeit auf dem AT, ein Muss für jeden der sich dafür interessiert, auch wenn man den Trail nicht machen will ist das Buch absolut lesenswert, gibt’s auch in deutscher Übersetzung.








1 Kommentar:

  1. Du hast einen Blog und hast nichts gesagt...unglaublich!
    Nach deinen bekanntermaßen langen Mails und anderweitigen Nachrichten bin ich geneigt zu sagen, das passt zu dir... und zwar so richtig. :)
    Hab mich gefreut hier vorbeigestolpert zu sein und hab dank deiner Beschreibung jetzt richtig Lust auf Berge, Wald und Wandern!
    Liebe Grüße,
    Kerstin

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