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Dienstag, 19. April 2011

Das New York des Nahen Ostens


Der Strand
So bezeichnet sich selbstbewusst Tel Aviv, die 400.000 Einwohner zählende Stadt am Mittelmeer, im Großraum der Stadt allerdings leben ungefähr zwei Millionen Menschen, das größte städtische Ballungsgebiet in Israel. Sicherlich ist Tel Aviv eine kosmopolitische und moderne Stadt, eine Schmelztiegel der Nationen und gleichzeitig das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum das Landes. Nicht das politische Zentrum, auch hier gibt es eine Besonderheit, die man wohl in keinem anderen Land der Erde findet. Tel Aviv war so etwas wie die Hauptstadt Israels, bis das Land 1980 auch den Ostteil Jerusalems annektierte und Jerusalem offziell zur Hauptstadt Israels erklärte. Dies wurde von der internationalen Gemeinschaft jedoch nicht anerkannt, und so ist Jerusalem die Stadt in der das israelische Parlament, die Knesset, seinen Sitz hat, während alle Botschaften in Tel Aviv ihren Sitz haben. Während Jerusalem als religiös und konservativ gilt, ist Tel Aviv eine moderne und liberale Metropole mit einer sehr aktiven Künstlerszene, vielen Partymöglichkeiten und langen Sandstränden.

In Jaffa
Ich kam am zweiten September 2010 aus Jerusalem nach Tel Aviv, ich dachte zumindest ich sei in Tel Aviv als ich aus dem Bus ausstieg. Auf meinem Stadtplan hatte ich den Busbahnhof schnell gefunden und mir bereits die Route von dort zu meinem hostel eingezeichnet. Nun stand ich etwas konfus an der Bushaltestelle, die Straßennamen stimmten überhaupt nicht mit denen auf der Karte überein, außerdem verliefen sie ganz anders, mich beschlichen ernste Zweifel ob ich tatsächlich da war wo ich dachte, dass ich sein müsste. Der Bus hatte gehalten, es war ganz offensichtlich die Endhaltestelle und so war ich überzeugt am Ziel zu sein, ratlos stand ich nun vor dem Schild, welches auf hebräisch den Namen der Bushaltestelle trug. Des hebräischen nicht mächtig war ich hilflos wie ein Analphabet, nur die Straßennamen, die auch auf Englisch waren, halfen mir etwas weiter. So fragte ich einen Israeli der mir entgegen kam, ob ich denn in Tel Aviv sei. Das verneinte er und sagte ich sei in Ramat Gan. Dazu muss man wissen, dass Tel Aviv im Norden nahtlos in Ramat Gan übergeht, ich war also nicht komplett falsch. Der Israeli, der offenbar den ratlosen Ausdruck in meinem Gesicht bemerkt hatte, bot mir an, mich nach Tel Aviv mitzunehmen, er wolle da sowieso gerade hin. Dieses Angebot schlug ich natürlich nicht aus und nach ein paar Metern erreichten wir sein Auto und waren auf dem Weg nach Tel Aviv. Während der Fahrt erklärte er mir dann sogar, wie ich von dem Punkt an dem er mich absetzen würde zu meine hostel käme. Ich bedankte mich für seine Hilfe und fand mein hostel anschließend ohne Probleme.

Gasse in Jaffa
Im Süden von Tel Aviv, ganz in der Nähe meines hostels, geht die Stadt in Jaffa über. Jaffa ist die ehemals arabische Siedlung, die von ihren Bewohnern im Krieg 1948 aber verlassen wurde, einige wurden auch von der israelischen Armee vertrieben, das jüdisches Pendant dazu war Tel Aviv. In Jaffa fühlt man sich wie in einer anderen Welt wenn man aus Tel Aviv dorthin kommt, ich hielt mich dort oft auf, denn von meinem hostel war es nur ein kurzer Fußweg. Jaffa besteht aus vielen aufwändig restaurierten alten Gebäuden, man kommt sich eher vor wie in einem kleinen Dorf, die engen Gassen erinnern an das alte Palästina, man könnte vergessen dass man sich in einer modernen Großstadt befindet wäre da nicht die Skyline von Tel Aviv in der Nähe. Immer wieder gibt es kleine aufwändig begrünte Gärten, eine Unzahl an Katzen streift durch die alten Gemäuer und es ist kaum vorstllbar, dass dieser Teil der Stadt vor wenigen Jahrzehnten noch ein heruntergekommener Problembezirk war. Man verleugnet nicht die arabischen Wurzeln, einige Minarette mit Halbmond stehen noch, und auch der alte Uhrturm ist sehenswert. Jaffa liegt zudem auf einem kleinen Hügel, von dort hat man einen fantastischen Blick auf den langezogenen Strand von Tel Aviv und die Stadt an sich, zudem gibt es einen Park dort oben der zum verweilen einläd. Auch Nachts ist der Blich auf die hell erleuchtet Skyline von Tel Aviv wirklich beeindruckend.

Bauhaus I
Eine andere Besonderheit Tel Avivs ist, dass das Stadtbild durch den Bauhausstil geprägt wird. Die zumeist in den 30er Jahren errichteten Gebäude, viele davon von aus Deutschland geflüchteten Juden entworfen und gebaut, sind weiß getüncht, womit Tel Avivs Beiname ‚Weiße Stadt’ erklärt wäre. Das Zentrum dieses archtektonischen Stils in Tel Aviv ist der Rothschild Boulevard der 2003 zum UNESCO-Welterbe erhoben wurde. Hier haben eingewanderte Architekten die Idee des Bauhauses in all ihren Variationen umgesetzt, heute ist der Kontrast zu den Wolkenkratzern, die inzwischen auch diesen Boulevard prägen, auffällig. Es ist in jedem Fall eine sehr interessante Mischung und ich wanderte entlang einer speziellen Architekturroute durch die Straßen Tel Avivs um mir die verschiedenen architektonischen Richtungen anzusehen. Ich muss zugeben, in Kunst war ich nie besonders gut und meine Bilder hätten auch die eines durchschnittlich begabten Dreijährigen sein können, aber der Bauhausstil Tel Avivs hat mich dennoch sehr interessiert. Lange Zeit drohten diese Gebäude zu verkommen, das oft schwül-feuchte und salzige Meeresklima kombiniert mit den Abgasen der Stadt setzte der historischen Bausubstanz schwer zu, die weißen Fassaden wurden grau, bevor sich die Stadt diesem Symbol annahm. Mittlerweile sind viele Häuser renoviert und erstrahlen zwischen den Hochhäusern in neuem Glanz.
Bauhaus II

Tel Avivs Skyline bei Nacht
Ein anderer Anziehungspunkt Tel Avivs ist natürlich der Strand, gerade im heißen Sommer können es die Menschen kaum abwarten nach einem Arbeitstag aus der stickigen Betonwüste herauszukommen, die vielbefahrene Promenade zu überqueren und dann die frische Brise am Strand zu genießen, sich in die Sonne zu legen oder eine Runde zu schwimmen. Doch auch an den langen Sandstränden gibt es die für Israel so typischen Eigenheiten. Im Norden Tel Avivs etwa gibt es denn „religious beach“ der paradoxerweiße direkt neben dem „gay beach“ liegt. Den religiösen Strand bevölkern je nach Wochentag mal Männer und mal Frauen, wobei die Männer an vier Tagen die Woche Strandvergnügen haben können, die Frauen nur an drei. Dabei geht es darum, nicht wie an einem normalen Strand des sehr liberalen Tel Aviv, zu viel nackte Haut des anderen Geschlechts sehen zu müssen, für orthodoxe Juden inakzeptabel. Warum ausgerechnet neben diesem Strand, der mit einem hohen Sichtschutzzaun zu allen Seiten außer zum Meer hin vor aufdringlichen Blicken geschützt ist, der Strand für Schwule und Lesben liegt ist mir ein Rätsel. Auch dieser Strand ist mit Sichtschutzzäunen abgesperrt, allerdings ist jeder willkommen diesen Strand zu benutzen, homo oder hetero. Insgesamt sind die langen Strände herrlich zum entspannen, ich hielt mich meist im Süden auf, auf der einen Seite lag auf dem Hügel Jaffa, auf der anderen Tel Aviv mit seinen markanten Hochhäusern. Fazit: Tel Aviv ist eine sehr lebenswerte und höchst interessante Stadt, aber um sie genauer kennen zu lernen müsste ich wohl mal länger dort sein als nur ein paar Tage.
Uhrturm Jaffa

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