Sydney 2007 - work & travel Australia

Sonntag, 12. Juni 2011

Geburtstag in der Wüste

Unser Jeep
Es war nicht der erste Geburtstag, den ich im Ausland verbrachte, trotzdem war der Geburtstag 2010 in der Wüste des Sinai in Ägypten ein unvergesslicher Tag. Eigentlich laufen Geburtstage ja immer gleich ab: Menschen von denen man Urzeiten nichts mehr gehört hat, und an deren Existenz man schon langsam zu zweifeln begann, rufen auf einmal an, man bekommt eine Menge nutzloser Geschenke, ab und zu auch mal sinnvolle, dass sei der Fairness halber erwähnt, und am Abend betrinkt man sich entweder aus Frust weil man schon so alt ist, aus reiner Konvention oder aus Lust sich zu betrinken. Wer wie ich noch dazu im Dezember Geburtstag hat, ist nicht nur gestraft kurz vor Weihnachten Geburtstag zu haben, sondern kann sich in regelmäßiger Häufigkeit auch über die unschönen Eskapaden des deutschen Dezemberwetters freuen.

Dahab am Roten Meer
Dies alles sollte meine Sorge in Ägypten nicht sein, nachdem ich 2007 in Melbourne in down under feierte, war es 2010 also die Wüste in Ägypten. Am 19. Dezember ging es per Bus von Kairo auf den Sinai in die Wüste. Der Bus fuhr um 13:30 Uhr in Kairo los, wobei Zeitangaben bei den Ägyptern grundsätzlich großzügig ausgelegt werden. Dementsprechend kamen wir erst nach Mitternacht in Dahab am Roten Meer an. Zunächst brauchte der Bus ewig, um aus der riesigen Metropole Kairo herauszukommen. Von strukturierter oder sinnvoller Verkehrsplanung kann in Ägypten kaum die Rede sein, jeder drängelt und quetscht sich in jede Lücke, da hat ein großer und schwerfälliger Bus schlechte Karten schnell vom Fleck zu kommen. Irgendwann ließen wir dann aber auch die Außenbezirke von Kairo hinter uns und vor uns erstreckte sich eine steinige Wüste, nur selten unterbrochen von Siedlungen. Der Bus brauchte aber auch so lange wegen der zahlreichen Checkpoints, ab Suez gab es fünf davon. Der Sinai ist eine entmilitarisierte Zone, da er an Israel grenzt, die Kontrollen bezogen sich aber mehr auf die eigenen Staatsbürger Ägyptens als auf etwaige versteckte Waffen oder Terroristen. Die ägyptischen Behörden schienen schon damals sehr nervös zu sein, obwohl es keinerlei Anzeichen der wenige Wochen darauf folgenden Revolution gab. An jedem Checkpoint stiegen Sicherheitsbeamte in zivil zu, die sich für die Pässe der Touristen kaum interessierten. Dafür sammelten sie alle Ausweise der Ägypter ein, nahmen sie mit raus und kontrollierten sie. Jedenfalls dauerte diese Prozedur jedes Mal ziehmlich lange, und das ganze wiederholte sich immer wieder, warum man nicht mit weniger Checkpoints auskommt ist mir ein Rätsel.

In der Wüste
Kurz nach Mitternacht kamen wir dann endlich in Dahab an. Die meisten der Reisenden waren Ägypter, auf den Rest stürtzen sich nun Agenten der jeweiligen Hotels und Hostels in Dahab. Mangelnden Geschäftssinn kann man den Ägyptern wirklich nicht vorwerfen, aber manchmal grenzt das Engagement Kunden zu gewinnen schon fast an Belästigung, wirklich ungewohnt für Europäer. Zu meinem Glück habe ich gleich behauptet ich hätte schon gebucht, das war eine weise Entscheidung, das Interesse meines geschäftigen Gegenübers schwand von der einen Sekunde auf die andere. Mit einem Shuttlebus, der eigentlich ein offener Pick-Up Jeep war, wurden wir dann für ein Entgelt von fünf ägyptischen Pfund in das Zentrum Dahabs gebracht. Der Fahrer raste geradezu durch die Nacht, und hinten auf der Ladefläche des Pick-Ups wurde es kühl unter dem sternenklaren Himmel der Wüste. Angekommen an dem Hostel von dem ich behauptet hatte dort gebucht zu haben stieg ich ab, und mit mir ein Amerikaner in den Dreisigern, der im Zentrum des Interesses unseres engagierten Hostelagenten stand und dem das anscheinend nicht geheuer war. Nach kurzer Diskussion fuhr der Jeep schließlich an und wir standen in den nächtlichen Straßen Dahabs. Das Hostel, in welches ich wollte, war leider ausgebucht. Dafür lag aber ein paar Meter weiter das nächste, und so stapften wir zu zweit dort hin. Die Nachtwache hielt ein vielleicht 16 jähriger Ägypter, der kaum Englisch sprach. Nach einigen Minuten war aber klar, dass er noch Zimmer frei hatte und auch über den Preis wurden wir uns einig. Das Einzelzimmer das ich bezog bestand aus einem Bett, einem Tisch und einem Stuhl und wirkte mit seinem spartanischen Komfort ein bisschen so wie ich mir eine Gefängniszelle vorstelle. Trotzdem war ich zufrieden mitten in der Nacht etwas gefunden zu haben, und man kann es drehen und wenden wie man will, Ägypten ist einfach sensationell billig verglichen mit anderen Ländern die ich bereiste. Nach einer erholsamen Nacht schaute ich mir am nächsten Morgen Dahab an. Dazu muss man wissen, dass Dahab hauptsächlich aus Strand besteht, viel mehr muss man auch nicht gesehen haben. Es ist ein sehr relaxter Ort, in dem es nur so von Europäern wimmelt. Die gesamte Strandpromenade ist überzogen mit Restaurants, Andenkenläden und Tauchgeschäften. Ich genoß die Sonne und die angenehmen Temperaturen und buchte meine Wüstentour für den nächsten Tag, das war ja schließlich der Grund warum ich eigentlich hergekommen war. Die Vorstellung, dass Deutschland gerade im Schneechaos versank, schien weit entfernt zu sein.

Am nächsten Morgen, dem 21. Dezember und meinem 23. Geburtstag, musste ich dann recht früh aufstehen. Nach einem schnellen Frühstück im Bishbishi, so der poetische Name des Hostels in dem ich wohnte, wurde ich auch schon abgeholt, diesmal von einem überdachten Allradjeep. Unsere kleine Gruppe war sehr international und bestand aus einem frisch verheirateten Paar aus Ägypten, die vor dem Start der gesamten Gruppe erst ihre Hochzeitsfotos in die Hand drückten und bestaunen ließen bevor es losgehen konnte, dazu kamen eine Neuseeländerin, eine Französin und zwei Amerikanerinnen und natürlich unser ägyptischer Guide. Kurz nach acht Uhr befanden wir uns auf dem Weg aus Dahab heraus in die Wüste. Die Sonne schien, es war Anfangs noch etwas kühl wurde aber recht schnell angenehm warm, eigentlich das perfekte Wetter für eine solche Tour, im Sommer muss es jedenfalls enorm heiß sein. Zunächst fuhren wir eine ganze Weile und passierten wieder mehrere Checkpoints. An jedem dieser Punkte reichte unser Guide irgendetwas aus dem Fenster, mal waren es Kekse, mal Tee oder Süßigkeiten, kleine Geschenke erhalten anscheinend tatsächlich die Freundschaft. Zuerst besichtigten wir einige alte Hügelgräber, wie alt sie genau waren und warum sie dort standen konnte uns nicht mal Nour, unser Guide, erklären.

Mutter-Kind Wandern in der Wüste
Danach nahmen wir in einem Bedouinencamp den typischen gesüßten Tee zu uns, bevor wir ein Stück weiterfuhren um endlich auch mal zu laufen. Der Ausgangspunkt war das obere Ende eines trockenen Wadis, es ging zunächst über Metallleitern hinunter, was die etwas korpulentere Amerikanerin bereits an die Grenzen ihrer physischen Leistungsfähigkeit zu bringen schien. Nachdem alle lebend und heil unten angekommen waren liefen wir das ausgetrocknete Wadi hinunter. An manchen Stellen ging es an den seitlichen Felswänden entlang, als uns auf einmal eine französische Gruppe mit zahlreichen Kleinkindern entgegenkam, ich glaubte zuerst an eine Fata Morgana. Diese Gruppe zerstörte jedenfalls die vermeintlich wilde Wüstenromantik in der man sich bis dato wähnte. Bis dahin hatte ich mich gefühlt wie ein echter Abenteurer, selbst mit dem etwas verdrängten Wissen, dass wir mit untrainierten Menschen und einem Guide unterwegs waren, so war es doch ein Canyon der mit Motorkraft nicht erreicht werden kann, sondern nur zu Fuß durchquert werden kann. Und dann? Dann kommt so eine Gruppe suizidal angehauchter Franzosen und zeigt uns wie lächerlich diese Vorstellung ist ein Abenteurer zu sein, wenn das ganze sogar mit einer Horde Kleinkinder möglich ist! Warum sie sich genau für diese Wanderung entschieden hatten wurde nicht erörtert, vielleicht sollte den Kleinen gleich zu Beginn ihres Lebens gezeigt werden, dass so eine menschliche Existenz kein Spaziergang wird, vielleicht ein Bootcamp im Kindergartenalter, in einer Wettbewerbsgesellschaft wie der unsrigen doch durchaus vorstellbar, oder? Nunja, die Landschaft war trotzdem mehr als sehenswert die Sandsteinformationen glänzten in den verschiedensten Occer- und Rottönen und am Ende des Wadis tauchte eine grüne Oase auf. Diese Oase war wie eine Klischeeoase, so wie man sie sich vorstellt wenn man die Wüste nicht kennt. Meistens, so zumindest meine Erfahrung, sind die Orte ganz anders als man sie sich vorgestellt hat, und je genauer die Vorstellung dessen war was man erwartete, umso kontrastreich anders war die Realität. In diesem Fall traf das nicht zu, die Oase entsprach schon fast beängstigend genau dem, was ich mir vorgestellt hatte. Es standen ein paar gelangweilte Dromedare herum und viele Palmen und andere Pflanzen spendeten Schatten und sorgten für etwas grün, ein angenehmer Kontrast zur kargen Wüste.
Begeisterter Autor - aphatisches Dromedar
Die Oase
Mittlerweile war es Mittag und wir wurden unter ein beschattetes Dach aus Palmzweigen geführt, wo alles für das Mittagessen vorbereitet war. Es gab Kartoffeln, Tomaten, Reis, Cous Cous, Fladenbrote und als Dessert Orangen und natürlich den obligatorisch übersüßten Tee. Und obwohl die Speisen eigentlich sehr einfach sind habe ich selten etwas besseres gegessen. Zudem hatte man einen guten Blick auf die Oase. Nach der Mittagspause und der näheren Bekanntschaft mit den leicht aphatischen Dromedaren, aber Aphatie ist wohl Teil iherer Wesensart und Taktik zum Energie sparen, bestiegen wir wieder den Jeep, der auf mysteriöse Weise von einem anderen Guide geholt worden war, und fuhren weiter. Nach einger Zeit verließen wir die asphaltierte Straße und es ging auf dirt roads weiter, und auch wenn diese noch so flach und eben aussehen, man lernt echte Straßen auf jeden Fall zu schätzen, es huppelte wie blöde. Das nächste Ziel war der Colored Canyon, der seinem Namen alle Ehre macht. Die Sandsteinformationen die Wind und der unregelmäßige Regen in den seltsamsten Formen geschaffen hat glänzen in den verschiedensten Farben.
Im Coloured Canyon
Die Sanddüne
Zum krönenden Abschluss fuhren wir noch zu einer mächtigen und steilen Sanddüne zum sandbboarden. Auch dorthin führte keine Straße und während sich der Jeep ächzend der Düne näherte konnte man schon von Weitem die Dimension dieser Sandansammlung erahnen. Sanboarden ist eine schweißtreibende Angelegenheit, sogar im Wüstenwinter wenn die Temperaturen wie an diesem Tag nur bei angenehmen 25 Grad liegen. Leider, oder auch zum Glück, es kommt ja immer auf die Sichtweise an, gibt es keine Lifte für Sanddünen. So bleibt nur die Möglichkeit mit dem Snowboard die steile Düne nach oben zu klettern, wobei man bei jedem Schritt im weichen sandigen Untergrund das Gefühl hat mehr zurückzurutschen als nach oben zu kommen. Irgendwann hatte ich es schließlich geschafft und war oben, und  genoß einen fantastischen Blick über die Wüste. Anschließend stellte ich mich auf das Snowboard, unser Guide hatte es uns davor bereits demonstriert und machte routiniert eine gute Figur bei der Abfahrt, ich war mir meiner eigenen Grazie auf diesem Brett nicht so sicher. Dazu sei erwähnt, ich fahre Ski, stand aber paradoxer Weise in der Wüste Ägyptens das erste mal auf einem Snowboard. Zum Glück bremst der Sand enorm gut, sonst hätte ich mich bei der Steilheit wohl keine drei Meter auf dem Brett gehalten, aber ich kam heil fast bis nach ganz unten. Zum Glück ist Sand auch relativ weich wenn man fällt und nicht so kalt wie Schnee, nur hat man dann überall Sand, ich habe später noch zurück in Deutschland geschätzt mehrere Zentner ägyptischen Sand in meiner Kleidung gefunden.

Der Blick von der Düne
Am Abend erreichten wir schließlich mit der tiefstehenden Sonne am Horizont wieder Dahab und die Tour in die Wüste war sicherlich eines der Highlights der Reise nach Ägypten. Die Ruhe der Wüste ist absolut faszinierend, man hört keine Vögel, keine Menschen und keine Autos. Man hat das Gefühl, dass jegliche Zivilisation meilenweit entfernt ist, man ist eins mit der Natur und man bekommt ein Gefühl für die unendliche Weite der Landschaft und wie klein und verloren ein einzelner Mensch in ihr wirken kann, ein mystisches Gefühl dass ich sonst nur vom wandern im Gebirge kenne. Die Wüste ist wesentlich vielfältiger als man denkt, es gibt steinige Hügel, Sandebenen, enge Wadis, grüne Oasen und wundervolle Steinformationen, und auch auf die Gefahr hin pathetisch zu klingen, die Landschaft strahlt eine erhabene Schönheit und Ruhe aus.
Nach einem ereignisreichen Tag

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