Ja, auch das ist Beirut! |
Mittlerweile habe ich auch hier
meinen allerliebsten Lieblingsfreund kennen gelernt, der mich fast seit der
Geburt treu begleitet und wohl bis zum Ende meiner Tage auch nicht mehr von
meiner Seite weichen wird: Die Bürokratie! Auch im Libanon existiert sie und
gedeiht prächtig, der Eindruck drängt sich mir zumindest auf, ich hatte auf ein
bisschen mehr Bananenrepublik und ein bisschen weniger Bürokratie gehofft.
Alles hat hier also seine Ordnung. Diese Woche habe ich u.a. meine Kurswahlen
gemacht und bin echt mal gespannt wie die Kurse hier so sind und ob ich was
verstehe, wir werden sehen. Im Gegensatz zu Deutschland werden die Kurswahlen
hier noch ganz klassisch auf Papier abgegeben, was zu teilweise chaotischen
Verhältnissen führt da alle Kurse von einem Koordinator bestätigt werden müssen
und die Schlangen in den Gängen equivalent mit fortschreitender Tageszeit
länger zu werden scheinen. Genaueres zu den Kursen gibt es dann, wenn ich weiß
ob ich auch wirklich drin bin. Leider kann man nicht alles an einem Tag wählen
und an manchen Tage ist einfach niemand da, deshalb bin ich ziemlich oft zur
Uni und wieder zurück, es ist echt enorm praktisch, dass die so nah ist, in gut
zehn Minuten zu Fuß bin ich da, wenn ich mich beeile noch schneller. Und wie
ich nun festgestellt habe, sind wohl doch alle Kurs bei dem Campus der direkt
bei mir um die Ecke ist. Ansonsten hielt mich die Bürokratie auch in Sachen
Visumsverlängerung auf Trab, ich habe ja nur ein Visum für einen Monat und
spätestens fünf Tage vor Ablauf, am besten eine Woche davor, muss ich alle Dokumente
dafür zusammen haben, ich hoffe jetzt mal, dass ich nächste Woche die
Bestätigung der Uni bekomme, dass ich dort studiere, die muss ich dann noch
beim Bildungsministerium abstempeln lassen und eventuell von der deutschen
Botschaft, und zusammen mit dem ganzen anderen Papierkram dann einreichen, es
bleibt also spannend...
An klaren Tagen sieht man den Schnee in den Bergen... |
Auch das Thema Sicherheit spielt
anscheinend überall eine große Rolle, so werden viele offizielle Gebäude vom
Militär bewacht, auf meinem zehnminütigen Weg zur Uni komme ich gleich an drei
solcher Hotspots vorbei, erst dem Nationalmuseum, anschließend am headquarter
der Sûreté générale und zuletzt an der französischen Botschaft. An die Präsenz
bewaffneter Kräfte gewöhnt man sich allerdings schnell und die Libanesen juckt
das eh nicht groß. Ab und zu kann man auch Zeuge eines besonderen Schauspiels
werden, so wie Anfang der Woche als ich auf dem Weg zur Uni war und auf einmal
ziemlich filmreif zivile und uniformierte Menschen mit Maschinenpistolen auf
die Kreuzung vor der Sûreté Générale stürmten und den Verkehr aufhielten. Überhaupt
kann man manchmal den Eindruck gewinnen, dass hier alle mal gerne mit
Schnellfeuerwaffen herumfuchteln und das irgendwie zum guten Ton gehört um sich
Respekt zu verschaffen - um den chaotischen Verkehr zu bändigen ist das wohl
auch das probateste Mittel. Nunja, zu was diese Übung genau diente habe ich
dann nicht mehr herausgefunden da ich weiter wollte. Auch private
Sicherheitsdienste haben Hochkonjunktur, ein grandioses
Arbeitsbeschaffungsprogramm wie ich meine. Jeder Laden der etwas auf sich hält
hat mindestens einen Sicherheitsmann, sogar unsere Uni hat an den Eingängen zum
Campus Sicherheitsleute. Was die genau machen ist mir allerdings ziemlich
schleierhaft, die sitzen immer nur in ihrem Häuschen und beobachten die
Eintretenden, wenn man nicht zu oft auf den Kopf gefallen ist könnte man ohne
jede Schwierigkeit alles an denen vorbeischmuggeln. Aber ich will hier nicht in
typisch deutscher Manier herumunken (wenn ich das nicht eh schon tue), bestimmt
macht das Ganze auch viel mehr Sinn als sich dem Laien erschließt. Und oft ist
ja Abschreckung und Präsenz zeigen das einzige Ziel, und das wird damit
bestimmt erreicht. Ansonsten muss ich aber noch anfügen, dass Beirut wirklich
eine sehr easy-going city ist, ich hatte noch nie Stress mit irgendjemandem,
niemand wollte irgendwas von mir und wenn man Fragen hat versuchen alle zu
helfen. Für meinen Visumsantrag habe ich eine Kopie von meinem Pass machen
lassen, in einem Reisebüro, und habe dann gefragt wie viel das kostet und die
haben dann gemeint, nix!
Es gibt noch viel zum wiederaufbauen... |
Am Donnerstag war dann
schließlich der réunion d’acceuil zu dem alle internationalen Studenten
eingeladen waren, was nicht besonders viele sind. Man muss allerdings erwähnen,
dass es auch nur die Studenten der geisteswissenschaftlichen Fakultät waren,
aber auch da waren wir insgesamt gerade mal zwölf Studenten aus dem Ausland,
davon 3 die schon im Semester davor da waren, heißt es gibt zum Sommersemester
nur neun (!) neue Austauschstudenten. Die Leute vom Service des relations
internationales haben sich echt Mühe gegeben, es gab eine kurze
Powerpoint-Präsi mit den wichtigsten Fakten zum Libanon und zur Uni Saint
Jospeph. Und ein libanesisches Frühstück gab es, und sollte dieses
repräsentativ für das Land sein (was ich angesichts der Fülle an Köstlichkeiten
zu bezweifeln wage) dann hätten die Libanesen mal echt kein allzu gesundes Konsumverhalten
was die Wahl ihrer Frühstücksverpflegung angeht, alles sehr süß aber war echt
lecker. Angedacht waren wohl wesentlich mehr Austauschstudenten, aber viele
haben wegen der politisch unruhigen Lage und den nicht unbedingt positiven
Schlagzeilen der letzten Monate dann kalte Füße bekommen und abgesagt.
Jedenfalls waren von den zwölf Studenten zwei aus Spanien, der Rest kommt
(abgesehen von meiner Wenigkeit) aus Frankreich. Ich bin also umzingelt von
Franzosen wo ich nur hinschaue. Dass es nicht einen einzigen weiteren Deutschen
gibt hat mich schon etwas erstaunt um ehrlich zu sein, in den letzten Jahren
hat sich mir nämlich wiederholt der Eindruck aufgedrängt, dass wir n’importe où
auf diesem Planeten verglichen mit unserer Einwohnerzahl absolut
überrepräsentiert sind. Man könnte manchmal glatt den Eindruck gewinnen,
Deutschland sei ein so furchtbares Land, dass man es um jeden Preis verlassen
muss, aber vielleicht ist der Deutsche auch nur reiselustig und neugierig, und
auch reich genug um sich diesen kosmopolitischen Anwandlungen hinzugeben. Naja,
hier in Beirut jedenfalls habe ich (abgesehen von den Malen wo ich mich
explizit mit Deutschen getroffen habe) noch kein Wort Deutsch auf den Straßen
vernommen, Französisch dagegen sehr regelmäßig, ab und zu auch mal Englisch. Hat
aber sicherlich auch Vorteile, Deutsche gibt’s schließlich in Deutschland
genug, trotzdem hätte es mich gefreut wenn jemand aus dem selben Land auch das
Semester hier verbringt zwecks der nostalgischen Freude die eigene Sprache mal
ab und zu in einer fremden Umgebung zu hören. So aber werde ich nun sicher gut
Gelegenheit bekommen an meinem Französisch zu feilen, ich werde immer für mein
(nahezu) akzentfreies Französisch gelobt aber wenn die Franzosen untereinander
schnell reden hört sich das für mich oft ziemlich Spanisch an...
Nationalmuseum |
Nundenn, ich hoffe ihr friert
nicht zu sehr im anscheinend zurückgekehrten Winter in der Heimat, falls es das
Leiden Einzelner unter euch mindert sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass es
auch hier gestern mehr so semi-gutes Wetter hatte, auf dem kurzen Weg zur Uni
bin ich von einem Schauer überrascht und komplett eingeweicht worden. Soviel für
den Moment, sofern es Zeit und Gemütsverfassung zulassen drückt mir die Daumen
für die Visumsunterlagen, beste Grüße aus Beirut!
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