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Montag, 27. Mai 2013

Savoir vivre à la libanaise...


Life is a bitch, no wait... a beach!

Warum diese kreative Überschrift? Nun ja, zum einen geben die Bilder einen Hinweis, wenn auch keine Erklärung. Hintergrund des ganzen ist eine Konversation die ich vor einiger Zeit schon mit einer Französin geführt habe, wie wir genau darauf kamen weiß ich nicht mehr, jedenfalls kommt es ab und an noch vor, dass ich in Französisch nicht mehr weiter weiß oder mir eine Vokabel nicht einfällt und es dann auf Englisch sage, in der Hoffnung verstanden zu werden und das richtige Wort auf Französisch zu erfahren. Wie ich festgestellt habe ist das Englisch der meisten Franzosen hier mehr so semiprofessionell, eher Günter Oettinger-like, es klingt mehr als würden sie Französisch sprechen, wozu es auch zu folgender Szene kam: Ich redete über Strand und Meer, wechselte zu Englisch da ich nicht weiterkam, und die Antwort war mir weitgehend unverständliches Englisch das mit dem Wort „bitch“ endete? Ich habe dann nachgefragt und irgendwann hat sich herausgestellt, dass das Wort welches mein Gegenüber meinte nicht bitch sondern beach war, wurde nur falsch ausgesprochen. So kann man über dieselben Dinge reden ohne es zu merken. Aber diese Anekdote nur am Rande. Auch dieses Wochenende zog es mich wieder zum Strand, diesmal mit Regina, einer Österreicherin mit der ich im Frühling schon öfters unterwegs war (u.a. in Baalbek für die mit gutem Gedächtnis), dabei waren auch noch eine Kolumbianerin, eine Jordanierin und zwei Libanesen, wieder sehr international also. Es ging in den Norden des Libanon in die Nähe von Batroun, nach etwa einstündiger Busfahrt waren wir da, die letzten etwa zwei Kilometer ging es dann zu Fuß zum Strand, und schon das war eine schöne Strecke. Noch ist alles relativ grün, vor uns erkannte man schon das Meer und das Wetter ist zur Zeit echt perfekt, mal etwas über und mal etwas unter 30 Grad und fast jeden Tag Sonne, der deutsche Mai fehlt mir jedenfalls nicht. Diesmal war der Strand und das Wasser auch extrem sauber, die weißen Steine verstärkten diesen Eindruck noch und so wurde es ein entspannter Tag bei „Pierre and Friends“, so heißt der Strandclub. Das angenehme ist, dass man bei solchen Privatstränden auch etwas zu Essen und zu Trinken kaufen kann, es Duschen gibt und Toiletten, allerdings wird man fast immer von Musik beschallt, ich hätte da gerne drauf verzichtet und lieber meine Musik per i-Pod gehört, aber irgendwann wurde die Musik so laut, dass das keinen Sinn mehr machte. Trotzdem ein top Tag, auch wenn ich mich mal wieder ein wenig verbrannt habe, but well, that’s part of the game, right?

In der Nähe von Batroun im Norden des Libanon.

Sauberes Wasser und blauer Himmel...





Wie dem aufmerksamen Verfolger der Nachrichten nicht entgangen sein dürfte sind am Wochenende zwei Raketen in südlichen Vororten von Beirut eingeschlagen, ich habe es aber auch erst über die Nachrichten erfahren, war ein ganzes Stück südlich von uns. Der Vorort wird von der schiitischen Hisbollah dominiert die im Syrienkonflikt zunehmend offen Stellung bezieht und Partei ergreift für Assad. Im Norden des Libanon in Tripoli gab es schon vergangene Woche wiederholt Gefechte zwischen Anhängern und Gegnern Assads mit mittlerweile über einem Dutzend Toten, auch in Syrien selbst mischt die Hisbollah nun mit und kämpft an der Seite Assads. Damit machen sie sich natürlich nicht unbedingt Freunde und schon am Samstag waren die Sicherheitsvorkehrungen überall erhöht, da die Rede des Hisbollah Chefs Hassan Nasrallah mit Spannung erwartet wurde, an der Busstation Beirut in Richtung Norden stand mal wieder viel Armee, diesmal aber mit Sandsackbarrikaden und fest installierten MG’s, das war neu. Das Risiko, dass einem in meinem Viertel eine Rakete auf den Kopf fällt ist aber würde ich sagen eher gering da ich in einem christlichen Viertel lebe. Der Libanon ist ein konfessionell geteiltes Land, die Grenzen verlaufen nicht nur in den Köpfen sondern auch territorial, es ist ein bisschen wie mehr oder minder freiwillig gewählte Apartheid. Christen und Muslime bleiben unter sich, Mischungen gibt es kaum und so sind einige Viertel ausschließlich muslimisch, andere ausschließlich christlich, von vereinzelten Ausnahmen mal abgesehen. Ich wohne in einem christlichen Viertel, und wenn ich hier in Badaro oder Ashrafie unterwegs bin gleicht es einem Wunder mal eine Frau mit Kopftuch zu treffen, das kommt wirklich so gut wie nie vor. Wenn man aber hinter unserer Uni Richtung downtown läuft und dann nach links abbiegt ändert sich das schlagartig, in muslimischen Vierteln tragen auch nicht alle Frauen Kopftuch, aber doch fast alle, in den Straßen hängen gelbe Banner zwischen den Häusern mit Gebetssprüchen darauf.

Eigentlich ist es sehr schade, dass es selbst 23 Jahre nach Ende des Bürgerkriegs noch ein so geteiltes Land ist. Denn wer keinen Kontakt zu anderen Religionen hat wird nahezu zwangsläufig Vorurteile übernehmen, Misstrauen entwickeln und so besteht die reelle Gefahr, dass sich Geschichte wiederholt. Wozu das führen kann haben zwei Gäste der USJ klar gemacht, die letzte Woche in unserem Kurs zum Libanesischen Bürgerkrieg waren, ein Christ und ein Muslim. Was beide verbindet ist, dass sie ehemalige Kämpfer sind und sich heute als eine der wenigen für eine öffentliche Aufarbeitung einsetzen und verhindern wollen, dass sich ein Konflikt ähnlichen Ausmaßes wiederholen kann. Da sitzen dann zwei gemütliche ältere Herren, wirken nett und aufgeschlossen, und dann erzählen sie was sie im Krieg erlebt haben, wie der Krieg sie zu dem machte was sie sind. Man sieht es den Menschen nicht an, aber sie erzählen wie sie getötet haben und es ihnen nichts ausmachte, wie sie aufhörten nachzudenken und mit reinem Gewissen die furchtbarsten Dinge taten, zwei Männer die nun gemeinsam Kaffee trinken und sich vor 30 oder 40 Jahren noch getötet hätten, hätten sie die Chance dazu gehabt, und die erst danach realisierten was sie getan hatten und nun darunter leiden. Und auch dabei wurde klar, dass es an der Trennung der Religionen lag, es gab keine Überschneidungspunkte, getrennte Viertel, konfessionell getrennte Schulen, ja sogar unterschiedliche Krankenhäuser. Leider, so kann man heute konstatieren, hat sich an dieser Situation nicht wirklich viel geändert, es gibt einige Ansätze die in die richtige Richtung weisen, aber zu einem respektvollen und vorurteilsfreien Zusammenleben ist es noch ein weiter Weg. Aber wie die Vorkommnisse in den Vororten Stockholms beweisen, existieren ähnliche Probleme wohl überall auf der Welt und anstatt sinnvolle Ratschläge zu geben sollte man auch im Westen vielleicht erst mal schauen, wie es eigentlich vor der eigenen Haustüre aussieht mit dem Zusammenleben unterschiedlicher Gruppen...

Mit diesen weisen Worten verabschiede ich mich aus dem etwas konfliktgebeutelten Libanon!


So lässt es sich aushalten!



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